DC Strommessung und Bandbreite
Braucht man wirklich 10 MHz Bandbreite für eine Gleichstrommessung?
Denkt man an „Bandbreite“ bei einem Messgerät, fällt vielen zuerst die Definition aus der Oszilloskop-Welt ein. Nach dem Standard IEEE 1057 (Standard for Digitizing Waveform Recorders) ist die elektrische Bandbreite der Punkt, an dem die Amplitude eines sinusförmigen Eingangssignals im Vergleich zu einem niedrigeren Referenzwert um 3 dB – also etwa 30 % – abgesunken ist.
Werfen wir einen Blick auf die Frequenzgangkurve des HIOKI CT6873 200A AC/DC-Stromsensors mit einer Bandbreite von 10 MHz:
Bild 1: Frequenzgangkurve des HIOKI CT6873 Stromsensors
Wenn der maximale Gleichstromeingang von 400 A bei 10 MHz auf nur noch 0,7 A gesunken ist, braucht man kein Mathematikstudium, um zu sehen, dass das weit mehr als 30 % Reduktion sind. Der Grund: Die Strombelastbarkeit eines Sensors und dessen Bandbreite haben nichts miteinander zu tun.
Aber wenn die Bandbreite nicht beschreibt, welchen Strom der Sensor innerhalb dieses Bereichs messen kann – was sagt sie dann aus?
Was bedeutet Bandbreite?
Die Bandbreite gibt an, in welchem Frequenzbereich ein Sensor präzise arbeitet. Bei einem Stromsensor beschreibt sie, wie schnell er auf Änderungen des gemessenen Stroms reagieren kann. Ein wichtiger Zusammenhang besteht zwischen der Bandbreite (BW) und der Anstiegszeit (T_rise), also der Zeit, die ein Signal benötigt, um von 10 % auf 90 % seines Endwertes anzusteigen:
Bild 2: Definition der Anstiegszeit
Die folgende Grafik zeigt die Reaktion eines Stromsensors auf eine sprunghafte Eingangsänderung:

Bild 3: Illustration der Anstiegszeit eines Stromsensors
Die orangefarbene Kurve zeigt, wie das Ausgangssignal des Sensors im Zeitverlauf auf eine sprunghafte Änderung des Eingangs reagiert. Die horizontal gestrichelten Linien markieren 10 % und 90 % des endgültigen Ausgangswerts des Sensors. Diese Werte sind entscheidend für die Messung der Anstiegszeit. Die Anstiegszeit (T_rise) ist die Zeitspanne zwischen dem ersten Erreichen von 10 % des Endwerts und dem Erreichen von 90 %. Sie wird in der Grafik durch den magentafarbenen Doppelpfeil dargestellt. Wichtig ist: Die oben genannte Formel gilt nicht für alle Stromsensoren – aber in den meisten Fällen ist sie korrekt. Ein Auszug aus dem Handbuch der HIOKI CT6710 / CT6711 Sensoren beschreibt die Anstiegszeit gemäß dieser Formel:

Bild 4: Anstiegszeit und Frequenzbereich – Aus dem HIOKI CT6710 / CT6711 Handbuch
Warum ist eine hohe Bandbreite auch für Gleichstrommessungen wichtig?
Selbst wenn das Hauptaugenmerk auf der Messung von DC-Strömen liegt, kann eine hohe Bandbreite von entscheidendem Vorteil sein:
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Erfassung von Einschalt- und transienten Ereignissen
Viele Gleichstromanwendungen beinhalten plötzliche Stromänderungen, z. B. beim Einschalten von Motoren oder beim Schalten von Leistungselektronik. Ein Stromsensor mit hoher Bandbreite ermöglicht es, solche Einschalt- oder Einschaltstromspitzen genau zu erfassen. -
Erkennung hochfrequenter Störungen
Gleichstrommessungen können durch hochfrequente Störungen beeinflusst werden, z. B. durch elektromagnetische Interferenzen (electromagnetic interference, EMI) von anderen Geräten, Hochfrequenzstörungen (radio frequency interference, RFI) oder Schaltgeräusche in Leistungselektronik. Ein Sensor mit ausreichender Bandbreite kann diese Störsignale erkennen und ggf. herausfiltern, während ein Sensor mit niedriger Bandbreite diese womöglich gar nicht erfasst oder durch unzureichende Reaktionsgeschwindigkeit verfälschte Messwerte liefert.
Fazit: Auch wenn die primäre Messaufgabe die Erfassung von Gleichstrom ist, spielt die Bandbreite eines Stromsensors eine entscheidende Rolle für präzise, zuverlässige und umfassende Messungen. Sie sorgt nicht nur für schnelle Reaktionszeiten und die Erfassung transienter Ereignisse, sondern ermöglicht auch eine genauere Abbildung des tatsächlichen Stromverlaufs – selbst bei Gleichstromanwendungen.