Stromsensoren: Drift happens – aber warum eigentlich?
Neulich haben wir bei HIOKI ein kurzes Video gedreht, in dem wir Hall-Stromzangen mit Fluxgate-Modellen verglichen haben:
In dem Video habe ich gesagt: „Jede Hall-Stromzange auf der Welt hat einen Gleichstrom-Drift“ – und dass sie deshalb für Leistungsmessungen eher ungeeignet ist, weil dieser Drift die Messgenauigkeit beeinflusst..
Aber was bedeutet eigentlich „DC-Drift“ genau?
Heißt das, dass der Messwert nach 20 Sekunden langsam wegdriftet? Oder dass er nach einer halben Stunde plötzlich 20 % zu hoch ist?
Um das Ganze greifbar zu machen, habe ich ein kleines Experiment gemacht: Eine Autolampe (50 W, 12 V), ein Labornetzteil – und dazu eine Hall-Stromzange sowie zwei Fluxgate-Modelle zum Vergleich.

Für den Vergleich kamen folgende Stromzangen zum Einsatz:
- Die CT6711 von HIOKI ist das Flaggschiff unter unseren breitbandigen Zero-Flux-Stromzangen für AC/DC-Messungen. Sie basiert auf einem Hall-Sensor, bietet eine Bandbreite von 120 MHz und wird typischerweise mit Oszilloskopen oder Speicherrekordern verwendet. Es stehen drei Strombereiche zur Verfügung: 0,5 A, 5 A und 30 A. Für unsere Messung mit der 50-Watt-Lampe bei 12 V ist der 5-A-Bereich ideal
- Die CT6841A von HIOKI ist eine 20-A-Zero-Flux-Stromzange. Sie wurde speziell für Leistungsmessungen entwickelt und arbeitet nicht mit einem Hall-Sensor, sondern mit einem Fluxgate
- Die CT6872 von HIOKI ist ein 50-A-Zero-Flux-Stromsensor. Genau wie die CT6841A ist auch er für Leistungsmessungen gedacht und nutzt ebenfalls ein Fluxgate statt eines Hall-Sensors

Um die Ströme über einen längeren Zeitraum aufzuzeichnen und miteinander zu vergleichen, habe ich alle drei Stromzangen an einen HIOKI MR6000 Speicherrekorder angeschlossen. Die CT6711, also die Hall-Stromzange, hat einen BNC-Ausgang, da sie typischerweise mit Oszilloskopen oder Rekordern verwendet wird. Für die Messung habe ich im MR6000 ein 8968-Modul verwendet – eine hochauflösende Eingangseinheit mit 16-Bit-Auflösung. Der MR6000 verfügt außerdem über eine optionale Hardwareerweiterung, die den Stromsensoren mit 2-Pin-LEMO-Anschluss die nötige Versorgungsspannung liefert – so auch der CT6711. Wenn man die CT6711 mit einem normalen Oszilloskop verwenden will, braucht man zusätzlich eine Sensor-Stromversorgungseinheit, z. B. HIOKIs 3269 oder 3272.

Die beiden Fluxgate-Stromsensoren CT6841A und CT6872 haben einen proprietären ME15W-Anschluss. Um sie mit einem Oszilloskop zu verbinden, benötigt man eine Stromversorgungseinheit vom Typ CT9555, CT9556 oder CT9557. Diese liefert nicht nur die notwendige Versorgungsspannung für die Sensoren, sondern gibt das gemessene Signal auch über einen BNC-Ausgang weiter.

Da ich für diesen Test kein Oszilloskop verwende, sondern einen HIOKI Speicherrekorder, lassen sich die Stromsensoren direkt über ein Stromsensormodul namens U8977 anschließen. Darüber hinaus bietet das Modul auch eine 16-Bit-Auflösung.

Jetzt musste ich nur noch die Lampe einschalten, den Strom für etwa eine Stunde aufzeichnen – und beobachten, wie die CT6711 im Lauf der Zeit sichtbar driftet.

Aber wie man sieht: Kein Drift. Gar keiner. Was man allerdings sieht, ist, dass ich vor Beginn der Aufzeichnung vergessen habe, die Kanäle auf Null zu justieren. Dadurch liegt die CT6841A (rote Kurve) leicht neben den beiden anderen Messkurven. Auch wenn das nicht geplant war, hilft es in diesem Fall sogar dabei, zu erkennen, dass tatsächlich drei Kurven dargestellt sind – denn die CT6872 (blaue Kurve) liegt exakt hinter der CT6711 (grüne Kurve) und ist dadurch kaum zu sehen. Deshalb hier dieselbe Aufzeichnung noch einmal, diesmal mit der CT6872 im Vordergrund.

Sowohl die CT6841A als auch die CT6872 sind Zero-Flux-Sensoren auf Fluxgate-Basis – trotzdem unterscheiden sich die „Dicke“ der Kurven deutlich. Hier lohnt sich ein Blick aufs Detail: Die CT6841A (rote Kurve) ist eine Stromzange, während die CT6872 (blaue Kurve) ein Durchsteckwandler ist. Durchsteckwandler bieten zwar nicht die Flexibilität einer Stromzange, sind dafür aber deutlich präziser. Der Unterschied wird noch klarer, wenn man bedenkt, dass die CT6841A einen Messbereich bis 20 A hat, während die CT6872 bis 50 A misst.
Was man dabei ebenfalls im Hinterkopf behalten sollte: Die Last in diesem Test ist eine H7-Autolampe – kein präzise steuerbares elektronisches Lastgerät. Das könnte zur Dicke der Messkurven beigetragen haben, zumal alle Aufzeichnungen mit einer vergleichsweise niedrigen Abtastrate von 100 Samples pro Sekunde durchgeführt wurden (obwohl auch 1 MSa/s möglich gewesen wäre). Trotzdem: Die „Dicke“ der CT6841A-Kurve – also der Abstand zwischen Minimal- und Maximalwerten – liegt nur bei rund 30 mA.

Aber nochmal: Über eine Stunde Messung mit einer Zero-Flux-Stromzange auf Hall-Sensor-Basis – und kein DC-Drift in Sicht. Im Video hieß es doch: „Nicht geeignet für Leistungsmessungen, weil die ja lange dauern.“ Eine Stunde Messzeit – das dürfte doch eigentlich schon als „lang“ durchgehen, oder?
Schauen wir uns doch mal typische Anwendungen von Leistungsmessungen an, bei denen solche Sensoren zum Einsatz kommen – und die wirklich länger dauern: Besonders diese Stromzangen sind sehr beliebt bei WLTP-Messungen. Dabei werden die Sensoren nicht nur ins Auto eingebaut – sondern oft direkt in den Motorraum. Und was passiert mit Sensoren, die im Motorraum sitzen, während der Motor läuft? Sie werden warm. Manchmal sogar sehr warm.
Wie man auf den Bildern oben sehen kann, standen die Stromsensoren bei der Messung einfach auf dem Schreibtisch. Sie saßen nicht im Motorraum eines Autos, nicht in einer Maschine und auch nicht neben einem Wechselrichter, wo sich die Temperatur im Lauf der Zeit verändert. Also: Wiederholen wir dieselbe Messung – aber diesmal in einer Umgebung mit wechselnder Temperatur.


Sobald der Fön die Sensoren erwärmt hat, war bei der CT6711 deutlich zu sehen, wie die Kurve nach unten wegdriftet. Auch bei den beiden Fluxgate-basierten Sensoren lässt sich eine leichte Veränderung der Kurven vermuten – allerdings ist in diesem Fall tatsächlich der Stromverbrauch der Glühlampe leicht angestiegen, vermutlich durch die Erwärmung während des Tests. Die leicht ansteigende Kurve von CT6841A und CT6872 zeigt also keinen Sensor-Drift, sondern ganz einfach: die richtige Messung.
Allein die Zeit verursacht keinen DC-Drift in einer Zero-Flux-Stromzange auf Hall-Sensor-Basis – dafür braucht es Temperaturänderungen. Das heißt allerdings nicht, dass Hall-Stromzangen automatisch ideal für Leistungsmessungen sind, solange die Temperatur konstant bleibt. Auch andere Faktoren wie die Phasenverschiebung spielen eine wichtige Rolle – insbesondere bei höheren Frequenzen. Für weiterführende Informationen oder ein persönliches Gespräch – einfach Kontakt aufnehmen.