Wohin verschwindet die Leistung?
Wirkleistung ist der Anteil der elektrischen Leistung, der tatsächlich für nützliche Arbeit verwendet wird – etwa zum Antrieb von Motoren, zum Betrieb von Maschinen oder zur Versorgung elektronischer Geräte. Der Großteil dieser nutzbaren Leistung wird von der Grundschwingung des Stroms bzw. der Spannung getragen. Oberschwingungen (harmonics) hingegen tragen in der Regel nicht direkt zur Arbeit bei, sondern verursachen Verluste – zum Beispiel in Form von Wärme, Störgeräuschen (noise) oder unerwünschten Vibrationen.
Für Ingenieure ist es daher von zentraler Bedeutung, Oberschwingungen zu minimieren, um Energieverluste zu reduzieren.
Harmonische Leistung präzise messen
Ein Leistungsanalysator berechnet den Wirkungsgrad eines elektrischen Systems, etwa eines Motors oder Transformators, indem er sowohl die Grundschwingung als auch die Oberschwingungen der elektrischen Leistung erfasst. Besonders bei hohen Frequenzen und hohen Strömen ist das jedoch eine Herausforderung, denn für große Ströme werden Stromsensoren benötigt. Diese Sensoren müssen nicht nur über den gesamten Frequenzbereich hinweg präzise arbeiten – der Leistungsanalysator muss auch die Phasenverschiebung des Sensors kennen, um eine korrekte Leistungsberechnung durchführen zu können. Erschwerend kommt hinzu: Die Phasenverschiebung eines Stromsensors ist frequenzabhängig. Ohne eine auf allen Frequenzen konsistente Zeitverzögerung im Sensor sind exakte Leistungsanalysen kaum möglich – selbst mit dem besten Analysator.

Bild 1: Wirkleistung und deren Oberschwingungen über den Frequenzbereich
Stromsensoren und Leistungsanalysator – Eine abgestimmte Lösung
Was passiert, wenn die Kombination aus Leistungsanalysator Stromsensor nicht für hochfrequente Messungen optimiert ist? Beim Messen des Wirkungsgrads eines Wechselrichters mit SiC-Halbleitern und einer Trägerfrequenz von 50 kHz oder höher kann es vorkommen, dass das Messergebnis einen zu hohen Wirkungsgrad aufzeigt: In manchen Fällen sogar über 100 %. Ein solches Ergebnis ist ein offensichtliches Warnsignal für einen Messfehler. Problematischer ist es, wenn der Leistungsanalysator 96 % Wirkungsgrad anzeigt, obwohl der reale Wert nur 94 % beträgt – oder er zeigt 96 % bei einem realen Wirkungsgrad von 98 % an. Eine solche Abweichung wäre nicht sofort als Fehler erkennbar. Wie kann man also sicher sein, dass das Messergebnis korrekt ist? Man kann sich nicht nur auf die spezifizierte Genauigkeit des Leistungsanalysators zu verlassen – auch der Einfluss der Stromsensoren muss mitberücksichtigt werden.
Betrachten wir ein Beispiel aus der Motorentechnik: In einem Motor werden Oberschwingungen der Grundfrequenz in Störsignale (Noise) und Vibrationen umgewandelt – diese Verluste können oft bereits ohne direkte Leistungsanalyse wahrgenommen werden. Doch hochfrequente harmonische Leistung wird hauptsächlich in Wärme umgewandelt. Die Messung dieser hochfrequenten Leistungsverluste ist schwierig, da Motoren ein induktives Verhalten aufweisen. Bei hohen Frequenzen nähert sich der Phasenwinkel zwischen Spannung und Strom an 90°. Da die Wirkleistung nach der Formel Leistung = Spannung × Strom × cos(θ) berechnet wird, führt jede ungenaue Phasenkompensation dazu, dass der Phasenwinkel über 90° hinaus verschoben wird. Das Ergebnis: Der Leistungsverlust erscheint als falscher Leistungsgewinn – eine gravierende Fehlmessung!
Der Grund für diese fehlerhafte Messung ist ein nicht kompensierter Phasenfehler des Stromsensors. Solche Phasenfehler verzerren die Messung und können zu fehlerhaften Aussagen über den Energieverlust eines Systems führen. Doch es gibt eine Lösung für dieses Problem: Mit einer optimal abgestimmten Kombination aus Leistungsanalysator und Stromsensor lassen sich Phasenfehler korrekt kompensieren, sodass exakte Leistungsmessungen auch bei hohen Strömen und Frequenzen möglich sind. Dadurch kann genau bestimmt werden, wie viel Leistung im System verloren geht. Die nächste entscheidende Frage ist dann: Wo genau treten diese Energieverluste auf, und wie kommt man ihnen auf die Spur?
Verlustquellen exakt bestimmen – über den gesamten Frequenzbereich
Leistungsanalysatoren bieten verschiedene Analysemethoden, um festzustellen, bei welchen Frequenzen Leistungsverluste auftreten. Eine klassische Vorgehensweise ist die Oberschwingungsanalyse oder Harmonische Analyse, die sich auf die Grundfrequenz des Motors als Basis bezieht. Da Motordrehzahlen bzw. deren Grundfrequenzen in der Regel niedrig sind, ist die Harmonische-Analyse meist auf Frequenzen unterhalb von 100 kHz begrenzt. Zum Vergleich: Bei einer Grundfrequenz von 50 Hz liegt die 2000. Harmonische bereits bei 100 kHz – und genau dort endet bei den meisten Geräten die praktische Grenze für eine harmonische Leistungsanalyse.
Für eine umfassendere Analyse der Leistungsverluste über das gesamte relevante Frequenzspektrum ist daher eine weitreichendere Methode erforderlich: die Power Spectrum Analysis (PSA). Im Gegensatz zur herkömmlichen Oberschwingungsanalyse, die sich nur auf die Grundfrequenz und deren Harmonische konzentriert, nutzt PSA die Fast Fourier Transformation (FFT) und ist nicht von der Grundfrequenz des Motors abhängig. Dadurch ermöglicht PSA eine detaillierte Analyse über den gesamten Frequenzbereich des Leistungsanalysators – im Fall des HIOKI PW8001 sogar bis zu 6 MHz. Dies eröffnet neue Möglichkeiten zur Identifikation von Leistungsverlusten, die mit herkömmlichen Methoden möglicherweise unentdeckt bleiben.

Bild 2: Power Spectrum Analysis (PSA) ermöglicht Leistungsverluste über den Frequenzbereich zu erkennen
Um die Analyse mit PSA-Funktion (Power Spectrum Analysis) effektiv einzusetzen, müssen zwei Dinge gewährleistet sein:
1. Der Phasenfehler der Stromsensoren muss durch den Analysator präzise kompensiert werden.
2. Die Stromsensoren müssen eine konstante Amplitudencharakteristik über den gesamten Frequenzbereich aufweisen.
Sind beide Bedingungen erfüllt, lassen sich Leistungsverluste präzise über alle relevanten Frequenzen hinweg erfassen.

Bild 3: Leistungsanalysator und Stromsensoren von HIOKI – entwickelt aus einer Hand
Der Leistung auf der Spur: Leistungsanalysator und Stromsensoren aus einer Hand
Da HIOKI sowohl Leistungsanalysatoren als auch Stromsensoren selbst entwickelt und fertigt, sind beide Komponenten optimal auf hochfrequente Leistungsmessungen abgestimmt. Die daraus resultierende hohe Messgenauigkeit ermöglicht es, Leistungsverluste präzise zu ermitteln und genau nachzuvollziehen, wo die Energie verloren geht – ein entscheidender Schritt zur Verbesserung der Energieeffizienz in Motoren, Wechselrichtern und anderen leistungselektronischen Anwendungen.